wildlife 02.03.04.05 - ein Gartenprojekt von Markus Ambach 
            
Im Sommer 2002 habe ich einen ca. 1200qm großen Garten mitten in der       Neusser Innenstadt gemietet. Er zeichnet sich durch alten Baumbestand, eine       üppige Vegetation und seine inselhaft entrückte Abgeschlossenheit (ihn umgibt       eine unüberschaubare Mauer ringsum, die ihn als typischen hortus conclusus       ausweist) mitten in der Stadt (direkt zwischen Hauptbahnhof und Shoppingmeile)       aus. 
Die Tage dieser außergewöhnlichen Zelle mitten im Stadtkörper waren von Anfang       an gezählt: als lukratives Bauland längst verplant harrt sie ihrem Abriss.
Das Projekt war von vorne herein auf 3 Jahre begrenzt. Abgesehen von der Grundstruktur       waren alle Eckpunkte, die im folgenden benannt sind, weniger geplant als daß       sie sich mit der Dauer des Projekts und meiner selbstgewählten Rolle       als Gärtner ergaben und entwickelten. 
Ein selbstregulierter Ort 
Unverhofft zum Gärtner geworden habe ich dort in den Sommern 2002/2003/2004       mit vielen KollegInnen (ca. 65 KünstlerInnen, Architekten, Filmemachern, Musikern       und vielen Gästen) eine Art Sommerbankett der Künstler jenseits herkömmlicher       ökonomischer Strategien veranstaltet. Ich habe die Kollegen gebeten, Arbeiten,       Konzerte, Vorträge, Essen oder andere Dinge im Garten zu machen, um ihn zu       einem Treffpunkt und Gesprächsraum werden zu lassen. 
Dabei war zentraler Gedanke, eine kleine, autonome Zelle mitten im Stadtkörper       zu öffnen, die weitgehend abgekoppelt ist von den normalen künstlerischen,       gesellschaftlichen und ökonomischen Verwertungszusammenhängen und Wertschöpfungsstrategien,       weitgehend frei von den üblichen Hirarchien und Erwartungshaltungen. Es sollte       in gewisser Weise ein sich selbstregulierender, autoproduktiver Ort sein -       eben ein Garten. 
Um die besonderen Bedingungen eines solchen Raumes herzustellen, waren nur       wenige, denkbar einfache Grundsätze vonnöten: Zunächst haben wir als Künstler       und Produzenten die ganze Sache aus uns selbst heraus gemacht, ohne Förderung       jeglicher Art. Bezüglich der Arbeiten gab es von mir aus keinerlei Vorstellungen       oder Vorgaben jedweder Art gegenüber den Beteiligten. Es gab insofern weder       eine ambitionierte, selbstreferentielle Projektstrategie noch irgendeine kuratorische       Tätigkeit, jeder durfte schlicht machen, was er wollte, wann immer er wollte. 
Ich selbst habe keine Arbeit gezeigt. Ich war der Gärtner. Als solcher habe       ich den Künstlern geholfen, ihre Arbeiten, Konzerte etc. zu realisieren und       das Notwendigste organisiert. Auch in dieser Funktion habe ich kein einziges       mal in irgendwelche Entscheidungen der Künstler eingegriffen. 
Zunächst durften nur die KünstlerInnen und deren Freunde in den Garten, um       eine klassische Ausstellungssituation und deren Verwertungszusammenhänge zu       vermeiden. Alle Arbeiten sind unter diesen Vorraussetzungen entstanden, auch wenn im 3. und letzten Jahr der Garten mehr und mehr für Interessierte geöffnet       wurde. 
3 Jahre Fremdkörper in der Stadt: Ferien vom Ich 
Die Arbeiten und Aktionen, die im Garten entstanden sind und stattfanden reflektierten       diese anderen Bedingungen auf eindrucksvolle Weise. Sie sind weniger als einzelne       Statements zu sehen sondern mehr wie eine gemeinsame Beschreibung und Definition dieses spezifischen Gemeinschafts- und Gartenraumes und die Herstellung seiner       unikaten Atmosphäre. 
Die in dieser von den herkömmlichen ökonomischen Implikationen abgekoppelten       Situation entstanden Arbeiten sind für die KünstlerInnen meistens genauso       unkonventionell wie bemerkenswert. Bei vielen fällt es schwer oder erscheint       redundant, sie bestimmten Künstlerpersönlichkeiten oder deren herkömmlichen       Werkstrategien zuzuordnen. Es scheint, als hätten die KünstlerInnen im isolierten,       speziellen Klima des Gartens nicht nur ein Höchstmaß an Selbstverantwortung       entwickelt sondern sich auch ein Maximum an künstlerischer Freiheit geleistet. 
Der Garten kommentiert und beschreibt so als gemeinsam determinierter Raum       über sich selbst hinaus in seinem Subtext auch die Verformungen, die sich       unter dem alltäglichen ökonomischen Druck des Betriebssystems Kunst bei den       Protagonisten einschreiben und zeigt Möglichkeiten auf, diesen zu vermindern       oder ihm zu entgehen. Er verweist auf die Chancen, innerhalb der Gesellschaft       selbstbestimmte Parzellen oder Einschlüsse anzulegen und temporär zu betreiben. 
Dabei blieb das Projekt immer einer angenehmen Einfachheit verpflichtet: auch       die beschriebenen Erkenntnisse zeigten sich vor Ort nicht als bemühter Diskurs       sondern als angenehme Erfahrungen einer leicht anarchischen Freiheit zwischen       Kunstproduktion und Barbecue, Vorlesung und Müßiggang, Diskurs und Schrebergarten,       Konzert und Sonnenbad.