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all is well and will be well in the garden
Autor: Prof. Dr. Michael Fehr, erschienen in "Wildlife",
hrsg. Markus Ambach, Richter-Verlag

Was kann man, dem Wunsche des Gärtners nachkommend, als Außenstehender, als Nicht-Künstler und flüchtiger Besucher zu 'wildlife' in der Neusser Innenstadt sagen? Wo der Gärtner doch als Faktotum des Gartens selbst schon in unterschiedlicher Perspektive und Person umfassend und vielfältig reflektiert, was dort auf seine Initiative hin in den letzten drei Jahren geschah? Ich versuche es unter zwei Stichworten.

Hortus Conclusus. Dieser Begriff löst bei mir zwei ganz unterschiedliche Assoziationen aus: Einmal die Vorstellung eines 'Arcanum', für mich zuerst konkret geworden im uns Kindern verbotenen sogenannten Kleinen Kreuzgang des Mondseer Schlosses, einer ehemaligen Benediktinerabtei, der einen völlig verwilderten Garten umschloss, in dem angeblich ein Reh gefangen war; trotz mehrfacher heimlicher Annäherungsversuche habe ich es nie zu Gesicht bekommen. Und zum anderen die Erinnerung an den Film 'Being There', in dem Peter Sellers Mr. Chance, einen Gärtner, spielt, der als Angestellter eines wohlhabenden Mannes in einem Hortus Conclusus aufgewachsen ist, ihn sein Leben lang nicht verlassen und seine gesamten kulturellen und sozialen Erfahrungen ausschließlich über das Fernsehen bezogen hat. Mit 'wildlife' im Auge erkenne ich jetzt, dass diese beiden Erfahrungen die typische mit dem Hortus Conclusus verbundene Erfahrungsstruktur illustrieren: dass er die Erfahrungswelt in ein Außen und ein Innen aufteilt, dass er etwas einschließt und ausgrenzen kann, dass er schützt und verbirgt, dass in ihm andere Regeln als jenseits seiner Mauern gelten können, und dass er meistens ein künstlich geschaffener Ort ist. Als gefasster, abgeschlossener Raum unterscheidet sich der 'Hortus Conclusus' von Gebäuden vor allem dadurch, dass in ihm, unbeschadet seiner Abgeschlossenheit von der Welt, die gleichen natürlichen Bedingungen wie jenseits seiner Mauern herrschen: in ihm arbeitet die Natur, wächst es, kreucht und fleucht es wie sonst wo, ist, das ist der Unterschied zum allseits geschlossenen Raum, das Innen nicht angewiesen auf das Außen, kann also das, was umschlossen ist, im Prinzip ohne Zufuhr aus seiner Umwelt bestehen. So ist der 'Hortus Conclusus' ein Ort, der im Vergleich zu seiner Umwelt in erster Linie dadurch gekennzeichnet ist, dass in ihm für Fauna und Flora wie für seine menschlichen Benutzer andere soziale Bedingungen herrschen, Bedingungen, die von seinem Besitzer, beziehungsweise dem Gärtner, mehr oder weniger weitgehend kontrolliert werden können. Vor allem durch diese anderen sozialen Bedingungen ist der 'Hortus Conclusus' von der ihn umgebenden Welt unterschieden; im Verhältnis zu ihr können sie nicht grundsätzlich ganz andere sein - wie im Unterschied dazu zum Beispiel im Treibhaus; doch eben typisch verschieden: reicher, ärmer, differenzierter oder mit einer Tendenz zur Monokultur, und dies mit den jeweils typischen Konsequenzen - vor allem einer Verlangsamung der Veränderungsrate der jeweils gegebenen Umstände.

Der Gärtner Markus Ambach hat von diesen besonderen Eigenschaften des 'Hortus Conclusus', hier einem relativ großen und alten Garten, den er in der Neusser Innenstadt übernehmen konnte, klugen Gebrauch gemacht. Einmal, indem er den Zugang zu ihm zunächst auf Menschen seinesgleichen beschränkte, also nur Produzenten Zugang gewährte und damit ein 'Arcanum' erzeugte; des weiteren dadurch, dass er diesen Menschen einen autonomen Raum anbot, einen Raum, der ursprünglich ganz ohne künstlerische Arbeit gedacht war und ohne Zufuhr von 'Kunst' aus sich heraus als schöner Garten Bestand hat; und weiter, dass er nicht als Kurator, sondern in der Tat als gastgebender Gärtner auftrat, also den Raum nicht selbst durch künstlerische Produkte definierte, sondern künstlerischem Arbeiten buchstäblich den Boden bereitete und im Vertrauen auf das Verantwortungsgefühl, das er in die von ihm Eingeladenen setzte, 'wachsen' ließ, was von diesen gesetzt wurde; schließlich und nicht zuletzt, dass er seinen wie den Aktivitäten aller Beteiligten einen zeitlich begrenzten Rahmen setzte.

Damit entstand, offensichtlich von allen Beteiligten mehr oder weniger deutlich bewusst wahrgenommen, eine besondere Situation für die Produktion und Präsentation von künstlerischen Arbeiten: ein exklusiver, vor den Widrigkeiten wie Verlockungen des Kunstbetriebs geschützter Garten der Künste in einem nicht-künstlerischen Kontext mit eigener Struktur wie spezifischen Bedingungen und eben deshalb offen für ein freies, spielerisches künstlerisches Arbeiten auf Zeit. Selbst Mr. Chance hätte in einer solchen Situation sich nicht mehr nur durch die Programme gezappt, sondern die Apparate abgeschaltet und hingesehen und geachtet auf das, was da wuchs. Denn, ich zitiere ihn: 'All is well and all will be well in the garden.' Urlaub. Warum in einem, warum in diesem 'Hortus Conclusus' arbeiten? Welche Konsequenzen hat ein Beitrag zu einem solchen exklusiven Ort für einen Kontext, aus dem er sich ausschließt? Offenbar kann Kunst heute im Rahmen der auf sie spezialisierten Orte - der Galerien, Kunsthallen und Museen etc. - nicht mehr die Wirkung entfalten, die man den Intentionen ihrer Urheber immer noch unterstellt: dass es um eine wie auch immer begründete und vorgetragene Bemühung gehe, das uns jeweils Gegebene und Bedingende zu transzendieren - durch Erkenntnisgewinn, Einsicht in größere Zusammenhänge oder im Schönen, um nur einige Beispiele zu nennen. Vielmehr mischt man bestenfalls mit dem Neuesten den einschlägigen Betrieb, doch nichts auf, was ihn selbst wiederum bedingt: Bildende Kunst hat heute keine Utopie mehr im Leib, sondern ist im Normalfall eine spezialisierte Form der Arbeit und des Geschäfts, die gesellschaftlich produzierten Mehrwert verbraucht vergleichbar anderen Tätigkeiten und Produkten ähnlicher Spezialisierung, und deshalb von Interesse und bedeutsam nur für solche, die sich eben auf dieses oder jenes Feld konzentrieren und zum Maßstab für ihre Sicht auf die Welt machen. Anders gesagt: Kunst zu produzieren und sich mit Kunst zu beschäftigen, das ist reine Privatsache geworden; wer das nicht glaubt, der versuche einmal, sie zu einer öffentlichen Angelegenheit zu machen.

Deshalb ist der Urlaub, den Kunst und Künstler im Neusser 'Hortus Conclusus' wildlife nehmen durften, gerade aufgrund seiner prinzipiellen Unzugänglichkeit und zeitlichen Begrenzung für alle Beteiligten eine so wichtige Erfahrung geworden, die sich selbst mir, dem spät zugelassenen Unbeteiligten, mitteilt: denn nur zurückgezogen von allen Ansprüchen wie den spezialisierten Bedingungen der schönen weißen Würfel: im normalen Durcheinander der gesellschaftlichen und persönlichen Interessen und in einem lebendigen, lebenden Kontext kann das künstlerische Arbeiten sich wieder erneuern als eine relevante und eigenständige Form der Artikulation von Ideen und Einsichten. Dabei geht es eben nicht darum, etwas ganz anderes zu machen, was ja ohnenhin nicht möglich ist, sondern darum, das, was man tut, etwas anders zu machen, die Akzente zu verschieben, am Unkraut zu erstarken und sich vom Zwang zur Vergegenständlichung zu befreien. Denn (in Abwandlung eines Zitats von Mr. Chance): Art is a state of mind.