Stadt zwischen urbanem Gedächtnis und Aktualisierungsanspruch
Das Projekt "Das uneingelöste Versprechen" reflektiert auf unterschiedlichen Ebenen die Stadt zwischen Aktualisierungsanspruch und aktivem urbanen Gedächtnis. Entlang der aktuellen Stadtentwicklungsvorhaben in Düsseldorf rund um den Jan-Wellem-Platz und das Ensemble Tausendfüssler, Dreischeibenhaus und Schauspielhaus werden nicht nur politische und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse untersucht, veranschaulicht und öffentlich diskutiert. Es wird speziell auch der Frage nachgegangen, wie sich Stadt als heterogene Größe unter den Bedingungen beschleunigter Aktualisierungsintervalle in Stadtplanung und Architektur formuliert. Wie entwickelt sie sich als sichtbare Repräsentanz einer heterogenen Stadtgesellschaft? In welchem Ausmaß bedingen ökonomische Faktoren Tendenzen der Homogenisierung im Bild der Stadt? Wie kann die Stadt entgegen den klassischen Historisierungsintervallen auch kurzfristig auf bedeutsame Entwicklungen reagieren? Wie kann sich Stadt als historischer Kontext und große Erzählung zwischen selektivem Gedächtnis und aktivem Vergessen im Dialog mit dem aktuell Vorstellbaren jeweils neu generieren?
PROGRAMM In den Monaten Mai bis September wird diesen Fragen in unterschiedlichen Formaten mit unterschiedlichen Partnern an unterschiedlichen Orten nachgegangen. Den Auftakt bildet eine Konferenz im Kunstverein Düsseldorf gefolgt von Führungen, die die Stadt als verräumlichtes Gedächtnis der Stadtgesellschaft verstehen: von der Düsseldorf prägendenden Architektur der Gesolei und den 20er Jahren hin zu Entwürfen der 60er und 70er Jahre bis zu den aktuell diskutierten Zukunftsperspektiven. In einem Workshop wird der Versuch gemacht, mit Studenten der Kunst und Architektur visionäre Entwürfe "nach der Ökonomischen Stadt" zu denken. Den Abschluss bildet eine öffentliche Plattform, auf der die Stadtgesellschaft zusammenkommt, um ihre unterschiedlichen Perspektiven auf Stadt, die sich im Falle von denen der Administration unterscheiden, zu diskutieren.
PUBLIC STAGE
Öffentliche Plattform im Düsseldorfer Stadtraum im September 2009
Das uneingelöste Versprechen
Stadt zwischen urbanem Gedächtnis und Aktualisierungsanspruch
Stadt generiert sich heute entlang wesentlich neuer Gestaltungsparameter. Der Kontext stadtgesellschaftlicher Aushandlungsprozesse hat sich analog zur ökonomischen wie auch gesellschaftspolitischen Entwicklung in der jüngsten Vergangenheit radikal verändert. Die Konsensgesellschaft produziert öffentliche Diskussionen, Wettbewerbe und partizipative Verfahren als Inszenierung des Demokratischen, wo früher die Administration rigide über die Köpfe hinweg die Gestaltung öffentlicher Räume entschied.
Analog verdichten sich städtische Aktualisierungsintervalle und damit Gestaltungs- und Entscheidungsnotwendigkeiten, wobei die Halbwertzeit der jeweiligen Entwürfe rapide sinkt. Während in der beschleunigten Fluktuation städtischer Formen wirtschaftliche Interessen und die homogenisierte Stadt massiv in den Vordergrund treten, verliert sich das Gespür für diese als heterogene Größe und zeiträumlichem Körper, als aktivem und real formuliertem Gedächtnis gesellschaftlicher Prozesse. Die Stadt als historischer Kontext und große Erzählung, aus deren uneingelösten Versprechen sich ihre Zukunft im Dialog mit dem aktuell Vorstellbaren selbst generiert, steht zur Disposition, wenn sie sich entlang rein wirtschaftlicher Interessen als ökonomischer Megaautomat aktualisiert.
Unter den neuen Bedingungen scheint Stadt als gesellschaftlicher Körper und verräumlichtes Gedächtnis der Polis zur Disposition zu stehen, was akute Fragen aufwirft: Wie kann sich Stadt als eine permanent neu ausgehandelte Größe zwischen selektivem Gedächtnis, aktivem Vergessen, aktuellem Denken und zeitgemäßer Aktualisierung neu ausrichten? Wie können Potentiale früherer Entwürfe mit Zukunftsperspektiven korrespondieren? Welche Entscheidungsfindungsprozesse spiegeln die aktive Stadtgesellschaft, die faktischen Einfluss auf die Gestaltung ihrer Räume hat, sie übernimmt und verantwortet und welche sind reines Display von Potenzen und inszenierter Partizipation?
Anhand der faktischen Düsseldorfer Situation um das Ensemble Dreischeibenhaus, Schauspielhaus und Tausendfüssler* wird diesen Fragen nicht nur am lokalen Beispiel, sondern als Perspektive für zu erwartende Stadtentwicklungsprozesse nachgegangen.
Markus Ambach
*Das Ensemble der "Grossen Drei", Dreischeibenhaus, Schauspielhaus und Tausendfüßler, gehören zur jüngsten, aber doch markantesten Manifestation von Stadtplanung im Düsseldorf der Nachkriegszeit und bildet die historische Folie für entscheidende Diskurse wie die der Nachkriegskunst, die von dieser Stadt wesentlich ausgingen. So konzipiert sich Historie hier schon in der jüngsten Vergangenheit und fordert damit einen Paradigmenwechsel im Bezug auf herkömmliche Historisierungsintervalle.
In Düsseldorf bietet sich die einmalige Möglichkeit, ein vermittelndes Programm zwischen dem gerechtfertigten Aktualisierungsanspruch von Stadt und der notwendigen Aufzeichnung von Stadt als heterogenem Zeit- Raum- Körper aufzulegen. Seit vielen Jahren wird in Düsseldorf an einer Neukonzeption des Geländes zwischen Hofgarten, Jan-Wellem-Platz, Schadowstraße und Gustav-Gründgens-Platz gearbeitet. Im Zuge dieser Planungen wurde das Immobilienprojekt Kö-Bogen auf den Weg gebracht, das auf dem Gelände des Jan-Wellem-Platzes, einem städtischen Grundstück, von einem Großinvestor errichtet werden soll. Diese Planungen stehen im Zusammenhang mit weiteren großen städtebaulichen Einschnitten, wie zum Beispiel dem Bau der Werhahn-Linie, dem Abriss des sogenannten "Tausendfüsslers" und der Untertunnelung der Kreuzung Schadowstr./Berliner Allee für die neue Straßenverkehrsführung an dieser Stelle.
Politisch wurde der Versuch unternommen, das Ensemble rhetorisch zu zergliedern und über eine Problematisierung einzelner Fragmente (z.B. Problemzone Gustav-Gründgens-Platz, ästhetische Diskussion des Tausendfüßlers) dem Ensemble seine Wertigkeit zu entziehen. Der nun entschiedene Wettbewerb zur städtebaulichen Planung des Terrains unterstreicht in der Ausschreibung ausdrücklich die Bedeutung des Ensembles Dreischeibenhaus/ Schauspielhaus. Am vorliegenden Entwurf kann diskutiert werden, ob dieses Ziel formuliert und umgesetzt wurde.