Parks und Gärten bilden in der Stadt Orte, an denen wir unsere Vorstellung von Natur verräumlichen. Während die privaten Gärten einer individuellen Interpretation von dieser Vorstellung Raum geben, repräsentiert der Park die jeweilige über die Zeiten hinweg geänderte Vorstellung vom Naturschönen der Stadtgesellschaft. Im Park findet jene Choreografie Raum, in der sich die Stadt über die jeweils aktuellen Haltungen zur Natur unterrichtet. Natur als Inszenierung: Der Park führt uns unbemerkt entlang einer nahezu filmischen Choreografie von Wegen, zeitlichen Intervallen und bildhaften Sequenzen durch unser jeweiliges Idealbild einer domestizierten Natur. Hier gehen, dort stehen, auf der Bank in der Betrachtung verweilen, hier in sich gehen, sich dort in der Weite des Blicks verlieren: Wege, Sitzgelegenheiten, freigestellte Blickbeziehungen, bereitgestellte Attraktionen und verborgene Sequenzen bilden ein sprachliches Repertoire, das den Park als Parcours inszeniert. Diese sprachlichen Zeichen artikulieren, akzentuieren, terminieren und dramatisieren die dargestellten Haltungen zu einer Choreografie, entlang derer der Besucher subtil geführt den Ausführungen des Architekten folgt. Im Park wird Natur zum filmischen Ereignis, in dem der Betrachter das Epizentrum bildet. Der Mensch als Maß aller Dinge, die Stadt als das strukturelle Raster, auf dem sich seine kultivierenden und disziplinierenden Maßnahmen vollziehen: Im Park wie auch im zoologischen Garten erklären wir Natur nicht durch sich selbst, sondern durch kulturelle Zeichen. Dabei wird die Metropole (oder „Weltstadt“), die den Park umschließt, in ihrem Bedürfnis erkennbar, die gesamte Welt an einem Ort abzubilden. Im Park repräsentiert sie die Natur als globale Zusammenfassung und Modell: hier versammeln sich Pflanzen aus aller Welt in einem botanischen Exotismus sondergleichen, um wiederum die (Natur-)Welt an einem Ort zusammenzuziehen und zu musealisieren.
Jacobigarten
Der Park des Künstlervereins Malkasten liegt im Zentrum der Stadt und ist zugleich nahezu unsichtbar: Ein Park, der sich über Jahrhunderte hinweg durch verschiedene Stilepochen entwickelt hat. In die Choreografie des „Jacobigartens“ haben sich auf luxuriösen 30.000 Quadratmetern im Zentrum Düsseldorfs landschaftsgärtnerische Haltungen, künstlerische Eingriffe wie auch gesellschaftliche Ereignisse verschiedenster Epochen eingeschrieben und ihn zu einem heterogenen Parcours durch die Jahrhunderte verdichtet. So ist der Park nicht Ort in der Zeit, sondern Kompression der Dekaden an einem Ort: ein großer Zeuge des historischen Zeitalters, der Verdichtung von Geschichte in historischen und aktuellen Fragmenten, die auf dem Terrain des Parks zueinander in Beziehung treten.
Parcours Interdit
„parcours interdit“ inszeniert besonders die verborgenen Sequenzen und Intervalle in diesem eigentümlichen Terrain verschiedenster Nachbarschaften. Die Arbeiten der Ausstellung deuten die Nähe der Choreografie des Parks zu historischen Entwürfen und naturwissenschaftlichen Vorstellungen genauso an wie die zu filmischen Inszenierungen. Sie bestimmen seine Beziehungen zur Stadt wie auch seine Sebstbezogenheit. Manche Entwürfe verlassen die Wege, um neue Sequenzen zu erschließen, die schon immer unsichtbar in die Choreografie des Ortes eingeschrieben waren. So macht die Ausstellung Angebote, den Park weit über seine Funktion als romantisierten Naturort hinaus als eine inszenierte Kulturlandschaft wahrzunehmen, die von der Stadt als Repräsentant einer kulturalisierten Natur entworfen wurde und uns als solche im Park vorgeführt wird. „Parcours“ liest so neben der vordergründigen auch die „anderen“ Geschichten des Parks und sucht hinter den klassischen Wegen auch die verborgenen und verbotenen Interpretationen, die in ihn eingeschrieben sind.
Umbruch
Die Ausstellung nahm das Thema der Inszenierung, der Historie und der choreografierten Intervalle an einer markanten Umbruchstelle wahr. Sie begleitete die ambivalente Restaurierung des Parks vom verwunschenen, romantischen Landschaftsgarten in einen historisch gepflegten, innerstädtischen Park. Der im ersten Jahr der Ausstellung (2007) noch angenehm subtil wie minimal gepflegte Park in seinem leicht morbiden Charme, der ihn für viele zum besonderen Ort in der überkultivierten Parklandschaft Düsseldorfs machte, wurde im zweiten Jahr denkmalpflegerischen Maßnahmen unterzogen, die ihn temporär in eine Baustelle verwandelten. Diese Situation wurde 2008 zum Hintergrund der Ausstellung, während der sanierte Park im Jahr 2009 die dritte Ausstellungssituation bildete. „parcours interdit“ dokumentierte so auch den historischen Sortierungsprozess, in dem Teile einer kontinuierlichen Geschichte verworfen, andere als wichtig erachtet und konserviert oder verlorene Teile, die andere Epochen bereits überschrieben hatten, reinszeniert wurden. Damit reflektierte „parcours interdit“ analog die Elemente von Dauer, Wechsel, Bewertung und Wiederholung. In einem neuen Format konstituierte sich die Ausstellung über drei Jahre hinweg in drei situationsbezogenen Blöcken, um die Wechselwirkungen von Temporärem und Kontinuität, Bewertung und Aktualisierung mit den jeweiligen Konnotationen zu inszenieren. So wurden viele Arbeiten in einem spezifischen Jahr gezeigt, andere verweilten über den gesamten Projektzeitraum oder wechselten über die Jahre hin ihren Ort auf verwirrende Weise. Die Ausstellung verdichtete sich über die Jahre modellhaft zu dem zeitbezogenen Patchwork, das der Konzeption eines Parks zugrundeliegt, in dem immer noch die Natur aufgrund langfristiger Wachstumsprozesse die Fluktuation der Ideen begrenzt und den Ort entschleunigt. Aktualisierung, Intervall, Überschreibung und Rekombination, Neuplatzierung und Weiterentwicklung wurden damit analog als künstlerische Strategien sichtbar. Wenn Elmar Hermanns Arbeit im ersten Jahr prominent die Hauptachse des Parks schmückte, um im Jahr darauf gleich einem vergessenen oder schlecht weggeräumten Gegenstand seine kontrapunktierte Reinszenierung hinter einem Skulpturensockel zu feiern, wird auch die Eindimensionalität künstlerischer Setzungen diskutiert. Wenn Arbeiten wie die von Alex Mertins von Jahr zu Jahr unmerklich wandern, wird der Besucher nach der Genauigkeit von Erinnerung befragt. Wenn Rui Chafes seine Arbeit über drei Jahre in die imaginäre Ewigkeit verlängert, während die Papierboote von Burghard nur minutelang ihr poetisches Potenzial die Düssel hinunter treiben lassen, werden Terminierung, Dauer und Sequenz als Äußerungsform künstlerischer Arbeit und architektonischer Konzeptionen erfahrbar.
Luxus
Auch wenn die finanzielle Situation des Vereins so angespannt ist, dass Projekten wie „parcours interdit“ nahezu keine vereinseigenen Mittel zur Verfügung stehen, bietet das Terrain eine einmalige Gelegenheit, künstlerische Inhalte kontextbezogen in einen historischen Stadtraum einzuschrei- ben, der die Künstler von „parcours interdit“ über drei Jahre mit unendlichem Elan nachkamen. Dafür gilt ihnen mein größter Dank. Im Park des Künstlervereins paarte sich der opulente Besitz künstlerischer Potenziale mit einem luxuriösen Ort. Dass das Projekt mit minimaler Finanzierung zu einem großen wie komplexen Ausstellungsprojekt werden konnte, verdankt sich also gerade diesen profunden Potenzialen unserer Berufsgrup pe, die sich hier imposant inszenierten. „par- cours interdit“ wurde so nicht nur zu einer wichtigen Arbeit zum Verhältnis von Park, Natur und Stadtraum, sondern auch zu einer Selbstvergewisserung und Bestätigung künstlerischer Möglichkeiten und Autonomie sowie zu ihrer Verschränkung mit einem der außergewöhnlichsten Orte der Stadt.
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