Als zweite Ausstellung bei „THE CHAIN“ zeigt Leni Hoffmann auf Einladung von Martin Pfeifle die Arbeit „muck“ vom 1.5.2010 bis zum 10.7.2010.
Die Wahl von Martin Pfeifle verweist nicht nur eindringlich auf das Prinzip von THE CHAIN, sondern reflektiert die inhaltliche Konzentration des Projekts auf solche Arbeiten, die sich an der Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Raum inszenieren. Wie kaum eine andere fokussiert Leni Hoffmann dieses raumspezifische Segment seit Jahren in einem schillernd fluktuierenden Formenkanon, der diese fließende Grenze in einer kongenialen Durchdringung barocker und moderner Elemente umspielt. Auf der semipermeablen Trennschicht zwischen Privatem und Öffentlichem inszenieren sich ihre Arbeiten als luxuriöse Bezeichnung dieser ambivalenten wie nahezu unsichtbaren Demarkationslinie in den Fassaden gebauter Umwelt im komplexen Formenrepertoire barocker Verwerfungen, die sich lapidar in Knete und rudimentären Baumaterialien formulieren. Analog dazu zeigen sich vermeintlich plastische Formen als Bühne der Vitalität des sie umgebenden Raumes, wenn die Skulptur zum Sitzmöbel wird. Der stete Wechsel zwischen profanem Gegenstand und sublimer Rauminszenierung entwirft dabei den stets neu auszuhandelnden Bereich des Öffentlichen als Ort multipler Perspektivität und einzigartige Herausforderung zum gemeinsamen (Aus)Handeln.
Für die Raumsequenz in der Bachstrasse hat Leni Hoffman in diesem Sinne eine beeindruckend einfache wie komplexe Arbeit realisiert. Die vitrinenhaft transparente Folge der zwischen Galerieraum, Display und Ladenlokal changierenden Räume wird lapidar dem Blick entzogen. Auf den Scheiben, die sonst als ebenso manifeste wie kokett unscheinbare Grenze zwar nicht dem Blick, so aber doch der Materie den Zutritt verwehren, spricht „Blanc de espagne“ eine deutliche Sprache mit einem vehementen „Nein“: einem Nein zum Blick, einem Nein zur Transparenz. Ein Nein zur Durchlässigkeit konstatiert hinter der auf die Scheiben mit schwerem Duktus aufgetragenen Farbe ein vermutlich Privates, das dem Blick entzogen wird und impulsiv seinen Raum behauptet.
Dass dabei die Oberfläche und damit die Architektur an sich, die ihre trennende, sortierende und den Raum bewertende Fähigkeit sonst machtvoll im Geheimen ausspielt, zum „mayor player“ des Szenarios wird, kontrastiert die Mies’sche wie moderne Idee des panoptischen Glashauses, in dem der Voyeur durch das spiegelnde Licht in seiner vermeintlichen Sichtbarkeit unsichtbar bleibt. Die barocken Schlieren im Blanc d’espangne offenbaren den Trick des Spiegels und machen ihn blind und sehend zugleich. Denn in der Verkehrung des Displays wird die Fassade selbst zum Ort der (Ver-)Handlung, der Showroom zum intimen Reservoir und das Außen zum gespiegelten Selbst es exponierten Raumes. Wo das Private sich selbst behauptet, offenbart es die voyeuristischen Züge des Öffentlichen, seine Zugriffs- und Vereinnahmungsversuche gegenüber dem Intimen.
Aber auch der Innenraum leidet an Eigensinn: Durch den im Fußraum der Fensterfront freigegebenen Blick offenbart sich nur der Teil des Raumes, der süffisant mit sich selber spielt: der Boden ist bedeckt mit stromführenden Kabeln in lichtem Gelb, die in ebenso barocken Windungen ein Spiel der Energie mit sich selbst inszenieren: Die gelben Stromführer versorgen die tiefer gelegte Raumbeleuchtung mit dem, was sie selbst beleuchtet. Wo die Energie dazu kommt, sich selbst zu beschauen verwirklicht sich ein innerer Kreislauf mit ambivalenter Kurzschlussqualität. Der isolierte Raum konnotiert sich als offene Form im flüssigen Gleiten der Kurven und Amplituden, aber auch als totes Gleis, dead end oder closed circuit im ewig wiederholten spiel mit sich selbst, das nur dann aufgebrochen wird, wenn jemand den Raum betritt...
So inszeniert sich die Demarkationslinie zwischen zwei Extremen als subtiles Bild einer Schnittstelle, an der sich beide Faktoren ausgetauscht haben. Dass Blanc d’espagne normalerweise dazu genutzt wird, den Krisenzustand der Ökonomie zu verschleiern und die blinden Augen der leerstehenden Ladenlokale zu schließen, ist dabei symptomatisch. Wo im Süden der angenehme Unzustand ökonomischer Schwäche weiß verschleiert doch seine eindeutige Melancholie und Hoffnung auf ein wenig Untergang in das Bild der Stadt einschreibt, leuchtet hierzulande nur noch das blaue Licht der Aufwertung. Die sublime Tiefe der ausgeleuchteten Leerstände transformiert die Leere vom Zustand der Krise zur Ökonomie des Möglichkeitsraumes: einem folgenreichen Wechsel, in dem selbst die Brache, die kleine Leere zwischen den Baureihen, die letzte Lücke in der nahtlosen Nutzung der Bürgersteige und Trottoirs mit ökonomischer Produktivität geschlossen wird.
Markus Ambach